Die Bibel: Altes Testament
Ein zentrales Motiv aus dem Alten Testament: Moses empfängt die 10 Gebote auf Steintafeln von Gott
SCHNELLÜBERSICHT ZU DIESER KAPITELSEITE
– Das Alte Testament bildet die Grundlage für die christliche und jüdische Theologie.
– Die jüdische Gemeinde war viel länger polytheistisch als allgemein angenommen! Der Gott der Bibel etablierte sich nur zögerlich vom ehemaligen Wetter- und Donnergötzen zum einzig wahren Gott.
– Es existieren plausible, teilweise auch gesicherte Erkenntnisse über den Ursprung der Bibel, ihre Verfasser und deren Motive.
– Moderne Geschichtsforschung und Archäologie liefern ernüchternde Erkenntnisse und dementieren sogar die wesentlichsten Kernaussagen des Alten Testamentes:
* Ein Auszug jüdischer Stämme aus Ägypten fand nie statt!
* Die Ur-Reiche von David und Salomo sind erfunden! Diese israelitischen Könige herrschten nur über ärmliche, belanglose Landstriche!
*Die Legende der Arche Noah ist nur die Nacherzählung einer noch älteren Geschichte aus dem altsumerischen Gilgamesch-Epos, in der sich ein gewisser „Ziusudra“ auf Geheiß des Gottes „Ea“ im Angesicht einer Sintflut analog zum biblischen Noah verhält!
* Die Entmystifizierung der Bibel ist nicht unbedingt einem totalen Gegen-Beweis bezüglich der Existenz eines übernatürlichen Gottwesens gleichzusetzen – sie spricht aber in aller Deutlichkeit gegen ein Engagement dieses (vorstellbaren) Gottwesens als Buchautor – und insbesondere gegen die Authentizität seiner im Alten Testament beschriebenen Interaktionen mit den dortigen menschlichen Protagonisten!
URSPRUNG DER BIBEL
Das Alte Testament der Bibel gilt vielen Menschen seit Jahrtausenden als das vom Himmel gefallene Wort Gottes! Es bildet die Grundlage der Monotheologie und steht für das weitgehende Ende aller Naturreligionen und den Glauben an mehrere Götter.
Die modernen Bibelforscher teilen sich in 3 Lager:
Die „Traditionalisten“ wähnen den zeitlichen Ursprung der Bibel etwa um 1000 v. Chr.
Die „Gemäßigten“ schätzen deren Ursprünge auf 600 v. Chr.
Die „Minimalisten“ vermuten die Verfassung der Kerntexte gar erst um 330 v. Chr.
FAKTEN:
Um 1200 v. Chr. zogen semitische Hirtenstämme von der Wüste aus ins westjordanische Bergland und wurden dort sesshaft. Der Norden der Region bis hin zum See Genezareth war eher lebensfreundlich, fruchtbar und auch für den Anbau von Wein und Oliven geeignet.
Weiter im Süden, zwischen Jerusalem und Hebron, war es weitaus karger! Zerklüftete Schluchten, wenig Wasser und stachelige Sträucher prägten hier das Landschaftsbild.
Um 1000 v. Chr. lebten in den Bergen von Kanaan (dessen Besiedlung im Gegensatz zu den biblischen Berichten kampflos erfolgte) rund 50.000 Menschen, wobei der Süden sehr dünn besiedelt war.
An Ärger und Konflikten mit Nachbarn bestand kein Mangel: Interessensgebiete der Edomiter, Moabiter, Philister und Phönizer umgrenzten die Semiten. Der bedeutendste Machtfaktor der Region war aber der Pharao Ramses II! Er errichtete eine Kette an Burgen und Wasserstellen im Land. Dieser „Horusweg“ diente als Ausfallstraße für die Nilarmeen.
Die biblischen Erzähler wollen in diesem pharaonischen Sperrgebiet Feldzüge des Moses gesehen haben! Ein Szenario, das moderne Bibelkundler rigoros ablehnen.
Der Pharao übte Druck auf die Bevölkerung aus und forderte Tribute. Wer diese vermeiden wollte, verzog sich in die Berge des südlichen Kanaans! Ausgerechnet in dieser Hinterwäldler-Region, in der sich Outlaws und Flüchtige die Klinke in die Hand gaben (möglicherweise leitet sich der Begriff Hebräer sogar von „hapiru“ ab, was soviel wie „Vagabund“ bedeutet), lässt die Bibel glanzvolle Monarchien entstehen! König David und Salomo sollen hier prunkvoll gelebt und unschätzbare Reichtümer gehortet haben! Archäologische Versuche irgendwas davon zu finden, erbrachten jedoch nicht einmal den Nachweis eines Tempel-Grundrisses!
Um 950 v. Chr. verlor Ägypten die Kontrolle über seine Vasallen und die hebräischen Stammeshäuptlinge konnten zunächst aufblühen. Infolgedessen bildete sich im Norden der Ur-Staat Israel. Um 884 v. Chr. stieg dort der König Omri auf den Thron. Das Land hatte etwa 100.000 Einwohner. Im kargen Süden lebten weitere 10.000 Einwohner.
Im 9. und 8. Jahrhundert vor Christus erhob sich Assyrien zur damaligen Weltmacht. Dessen König Tiglatpileser III. wollte den Karawanenhandel östlich des Mittelmeeres unter seine Kontrolle bringen. Um 732 v.Chr. rückte er vor und besetzte weite Gebiete, darunter auch den Zwergenstaat Israel. Über 13.000 Bewohner Israels wurden dabei versklavt und mussten die Heimat verlassen. Das südliche Gebiet, genannt Juda, blieb vorläufig verschont. Dorthin begab sich ein Strom an Flüchtlingen. Die Einwohnerzahl Jerusalems schnellte hoch auf 15.000.
Die gemäßigten Bibelforscher sehen an diesem Punkt der Entwicklung die Geburtsstunde des Monotheismus! Den Anschub für das „Jahwe-Projekt“ soll dabei König Josia (639-609 v.Chr.) gegeben haben, der laut Bibel das Volk Israel zum genauen Befolgen der Gesetze sowie zur Abkehr von anderen Göttern und dadurch zur Erlösung führt. Er rief nun seine Priester auf, einen religiösen Beschützer zu erfinden und das nationale Epos vom verheißenen Land zu verfassen! Die Tempelleute setzten auf ethische Abgrenzung! Zahlreiche Lebensregeln und Tabus des Alten Testamentes wurden zu diesem Zweck festgelegt. Jahwe steigt hier in Juda im Zuge dieser Maßnahmen vom Donnergötzen zur universellen Macht auf! Metaphysik wird zum Mittel der Wahl, um fehlende Militärkraft zu kompensieren!
Fast alle Bibelkundler gehen davon aus, dass das 5. Buch Mose („Deuteronomium“) das Ergebnis Josias Kultreform widerspiegelt.
Dieses Buch wird von einer ganz eigenen Sprache geprägt:
– Es verurteilt die Anbetung anderer Götter und droht bei Zuwiderhandlung mit furchtbaren Strafgerichten.
– Gott wird völlig entrückt und transzendent dargestellt.
– Der Opferdienst für Jahwe darf ausschließlich im Tempel vollzogen werden.
Die Zion- Priester streben das Glaubensmonopol an und wollen ihre Kollegen im assyrisch unterjochten Bruderstaat Israel aushebeln, die ebenfalls ein Jahwe- Heiligtum betreiben.
Das Alte Testament ist in unterschwelliger Form fast vollständig vom Bruderstreit zwischen Israel und Juda durchzogen. Israel wird angeschwärzt, wo es nur geht – als ein Land voll kleinmütiger Versager deren Könige Frevler und Sünder sind, während in Juda die frommen und gottesfürchtigen Leute wohnen!
Die Priester Judas hängen sich mächtig ins Zeug! Auch Betrug und Dokumentenfälschung sind ihnen als Methoden nicht verpönt! Lt. dem 2. Buch der Könige hätte der Hohepriester Hilkia um 622 v.Chr. bei Aufräumarbeiten im Tempel ein uraltes „Buch der Gesetze“ gefunden. In Wahrheit war die Tinte des frisch geschriebenen „Deuteronomiums“ noch gar nicht trocken! Die gemäßigten Bibelkundler sehen die Sache so: Um 630 v. Chr. schrieben die „Deuteronomisten“ Kernstücke der Bibel, erfanden Abraham und Moses und verlegten deren Wirken durch einen Trick in die Vergangenheit!
Die „Minimalisten“ vertreten eine andere Ansicht. Die Kultreform Josias halten sie für übertrieben. Die Geschichte mit dem uralten, streng monotheistischen „Buch der Gesetze“ sei eine Erfindung aus noch späterer Zeit.
Neuere archäologische Funde spielen den Minimalisten in die Hände! Die Vielgötterei in Israel und Juda zog sich viel länger hin als bisher bekannt! Noch um 600 v.Chr. lebte die Bevölkerung Judas polytheistisch! Hoch im Kurs stand hierbei Baal, der in vielen lokalen Varianten verehrt wurde! Eine davon war Jahwe!
Erst im Jahr 587 v.Chr. sollte sich jenes Ereignis vollziehen, dass die Sprungfedern zur Transzendenz spannte und dem Monotheismus wahrscheinlich zum Durchbruch verhalf!
Die Babylonier unter König Nebukadnezar waren auf dem Durchzug nach Ägypten und beraubten Juda, den kleinen Bruderstaat Israels, seiner Unabhängigkeit! Ein Teil der Oberschicht wurde ins Zweistromland verschleppt. Im fernen Babylon entstand eine jüdische Kolonie und dort- so sehen es immer mehr Forscher- haben die Hebräer ihr Sehnsuchtsmotiv vom verheißenen Land entwickelt.
Sie erhielten aber auch neue Impulse für ihre Gottesvorstellungen! Der babylonische Glaubenslehrer Zarathustra verkündete eine Lehre, die ebenfalls Engel kennt und auf dem Gegensatz von Gut und Böse basiert. Und auch Ahuramazda, der Hauptgott der Perser, war ein Wesen ohne Gestalt.
Die fernen Morgenländer förderten den Jahwe-Kult und 538 v.Chr. erlaubten sie den Juden die Rückkehr in ihre Heimat.
Um 445 v. Chr. wird Nehemia Bürgermeister und Esra Hohepriester von Jerusalem. Nun sind – so die Annahme der Minimalisten – die jüdischen Reformer zur Hochform aufgelaufen. Sie haben das hebräische Schrifttum durchgeflöht, umgeschrieben und um ganze fiktive Königreiche bereichert. Und sie bekämpften besonders nachhaltig jegliche Tendenzen anderweitiger Götterverehrung! Insbesondere die Himmelsdame „Aschera“ war bis dato manchem Juden sympathischer als Jahwe!
Von derlei Glaubenskämpfen merkt man in der Bibel nicht viel! Nur selten übersah die Tempelzensur verräterische Stellen, wie etwa in Psalm 68, in welchem Gott „Wolkenfahrer“ (wie der heidnische Wettergötze Baal) genannt wird.
Eine Ausgrabung im ägyptischen Assuan hat Tempelpost jüdischer Söldner aus den Jahren 460 bis 407 v. Chr. zu Tage gefördert. Die Söldner waren auf einer Nil-Insel stationiert und hielten regen Briefkontakt mit Jerusalem. Anhand derer Inhalte erkennt man, dass sie selbst zu dieser Zeit noch neben Jahwe mindestens drei weitere Götter verehrten, darunter die Liebesgöttin Anat!
Die Bibel könnte selbst um 140 v. Chr. noch umgeschrieben worden sein, glauben manche Forscher plausibel erklären zu können! Die Makkabäer, eine Gruppe von Hohepriestern und Königen, erkämpften um diese Zeit von Jerusalem aus die Unabhängigkeit und ließen für kurze Zeit einen Gottesstaat erblühen, geführt von den Anhängern Jahwes. Kurz darauf gingen sie sogar in die militärische Offensive und überrannten den verhassten Norden. Der Nachbarstaat Israel wurde verschluckt und sein Name zum neuen Schlachtruf der ganzen Nation.
Nun erst, glauben die betreffenden Forscher, entstand die erfundene Geschichte vom Erzvater Abraham, dessen Wanderung durch Kanaan mit realen Ortsnamen gespickt ist und sich innerhalb eines Gebietes abspielt, auf welches die Makkabäer Anspruch erhoben. Auch die berüchtigte Bibel – Legende von der Landnahme Kanaans würde viel besser in die Zeit der Makkabäer passen! Die waren nämlich – ganz im Gegensatz zu den friedlich sesshaft werdenden semitischen Ursiedlern – tatsächlich in schwere Geländekämpfe verwickelt!
WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
TITEL: KEINE POSAUNEN VOR JERICHO
UNTERTITEL: Die archäologische Wahrheit über die Bibel.
AUTOREN: Israel Finkelstein, Neil A. Silberman, Miriam Magall
VERLAG: dtv
TITEL: DAS BIBELRÄTSEL
UNTERTITEL: Geheimnisse der heiligen Schrift
AUTOREN: Hans-Christian Huf
VERLAG: Econ