DIE SCHATTEN DES GLAUBENS

„ZU RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN……“

SCHNELLÜBERSICHT ZU DIESER KAPITELSEITE

* Den unbestritten positiven Aspekten des Glaubens steht auch eine Reihe möglicher Effekte gegenüber, die sich negativ auf Individuen und Gesellschaften auswirken können!

Die Vorteile von Religion und Spiritualität lassen sich nicht generell ableugnen! Manche Menschen erhöhen durch Religiosität ihre Lebensqualität. Auch die Sozialverträglichkeit eines Menschen kann sich durch Religiosität erhöhen (nicht zuletzt aus Furcht vor einer jenseitigen Bestrafung oder Verdammung durch eine allmächtige, übernatürliche Instanz)!

Aber genauso wie Medikamente neben ihrer erwünschten positiven Wirkung auch schädliche Nebenwirkungen entfalten können, sind auch die positiven Aspekte der Religion keine Einbahnstraße!

Wir leben grundsätzlich in einer hoch komplizierten Welt! Unzählige Personen, Dinge und Ereignisse umgeben uns. Undurchschaubar ist das interaktive Geflecht an totalen und bedingten Abhängigkeiten, von Ursache und Wirkung, von Rückkoppelung und Wechselwirkung, etc. Was wir erleben, befindet sich im unablässigen Wandel und im Kontext zu vielen anderen Ereignissen.

Die Religion bietet dem Menschen Hilfe bei der Orientierung in einer unüberschaubar komplexen Welt, in der alles mehr oder weniger „relativ“ und darüber hinaus vergänglich ist! Die Religion definiert totale Instanzen, absolute Werte und Größen! Sie postuliert eine einzige verbindliche Wahrheit, eine totale Unterscheidung in richtig und falsch bzw. Gut und Böse, zeigt uns einen einzig wahren Gott, etc.

Wer sich in den Schoß des Glaubens fallen lässt (die entsprechende individuelle Fähigkeit vorausgesetzt), begibt sich in eine einfachere, überschaubarere, weniger komplexe und somit als sicherer empfundene Welt! Die großen Lebens- und Schicksalsfragen scheinen auf einmal beantwortet zu sein, notfalls kann sie der Dorfpfarrer in drei Sätzen erklären.

„Opium für das Volk“ – so urteilte seinerzeit Lenin über die Bedeutung der Religion! Aber die Metapher war vielleicht gar nicht wirklich böse gemeint?! Ein Rauschmittel kann mich beflügeln, inspirieren, mich alle Probleme vergessen lassen, mir Leichtigkeit, Kommunikationsfreudigkeit, Hoffnung und Glücksgefühle vermitteln! Es kann mich aber auch auf einen Horror-Trip schicken, aggressiv machen, meinen Verstand außer Kraft setzen und mich zu verheerenden Fehlentscheidungen verleiten!

Religion kann mitunter auch zu einer Quelle der Lebensverachtung und -verleugnung werden. Sie kann Ursache für die Ausgrenzung und Diskriminierung von Frauen und Randgruppen sein. Sie kann den Anstoß für Kriege und Zwiespalt zwischen Gruppen und Völkern geben und auch Ursache für Höllenängste, Zwänge und Minderwertigkeitsempfinden sein!

Das Hauptproblem des Monotheismus ist Folgendes: Es gibt leider mehr als nur eine „absolute Wahrheit“! Juden, Christen und Muslime liegen im Dauerclinch darüber, ob Gott kinderlos ist („Gott zeugt nicht und wurde nicht gezeugt!“ – lt. Koran) oder einen Sohn hat („…dies ist mein eingeborener Sohn, an ihm finde ich Wohlgefallen!“ – lt. Bibel). Fernerhin, ob Jesus der Messias, der Erlöser war (lt. Neuem Testament) oder ob dieser noch ausständig ist (nach jüdischem Glauben), etc. Man könnte sich ggf. gütlich darauf einigen, dass nur die Gottesvorstellungen voneinander abweichen, sich im Kern aber auf dasselbe dahinterstehende übernatürliche Wesen beziehen.

Aber auch mit diesem Kompromiss kommt man in bestimmten konkreten Situationen nicht weiter:

Der Gott der Bibel erklärt Israel zu seinem auserwählten Volk und gesteht ihm überaus konkrete Gebietsansprüche zu! Westjordanland, Gaza und die Stadt Hebron bspw. kommen uns allen (auch) aus aktuellen oder zeitnahen Schlagzeilen mehr oder weniger bekannt vor. Sie werden aber ebenso in der Bibel mit ihren heute noch (oder wieder) existenten Namen erwähnt, und zwar als Eigentum Israels! Muslime hegen indes unter Berufung auf den Koran ebenso wenig Zweifel daran, dass Allah keinem Ungläubigen (das sind aus ihrer Perspektive alle Nicht-Muslime) Gebietsansprüche im Heiligen Land zugestehen würde (insbesondere die Stadt Jerusalem bedeutet auch für sie ein außergewöhnliches Heiligtum).

Also stehen die (je nach Standpunkt) monotheistischen Mythen oder göttlichen Wahrheiten sehr substanziell in Beziehung zu aktuellen (und wahrscheinlich auch künftigen) geopolitischen Konflikten!

Der Autor distanziert sich ausdrücklich von jeglicher politisch- moralischen Stellungnahme bezüglich des angesprochenen Nahost-Konflikts! Dessen Erwähnung dient nur dem Zweck der Verdeutlichung, wie das grundsätzlich friedensstiftende Potential der Religion durch die Religion selbst zunichte gemacht und in ihr Gegenteil verkehrt werden kann!

„WO GOTT NICHT IST, IST ALLES ERLAUBT!“

So brachte Fjodor Dostojewski, sich seinerseits auf den Roman „Die Brüder Karamasow“, beziehend, die angebliche Bedeutung des Glaubens für die Menschlichkeit und Moral der Völker auf den Punkt.

Abgesehen davon das die Sache bei Weitem nicht so einfach ist (siehe auch Kapitelseite „Gut und Böse – natürliche Ursachen“) kann man den Spieß in dieser Argumentation auch mühelos umdrehen:

„TÖTET ALLE – GOTT WIRD DIE SEINEN SCHON KENNEN!“

So lautete die Empfehlung von Abt Arnaud Amaury an seine Offiziere, als im Jahr 1209 während des Albingenserkreuzzugs die Stadt Beziers in Südfrankreich gestürmt und die dort Zuflucht suchenden Kahtarer vernichtet werden sollten (die historische Genauigkeit des Zitats ist allerdings nicht ganz unstrittig). Zuvor wurde er gefragt, wie die Katholiken von den Ketzern überhaupt zu unterscheiden seien. Aber auch ein Rückblick in die Folterkammern der Inquisition lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass aus dem Eifer des Glaubens mitnichten ausschließlich Gutes hervorgeht!

„DEUS LO VULT – GOTT WILL ES !“

lautete auch der Schlachtruf der mittelalterlichen Kreuzfahrer, deren „Frömmigkeit“ mitunter sehr blutrünstige Züge annehmen konnte.

„ALLAHU AKBAR – GOTT IST GROSS“

Mit dieser Phrase leiten oft religiöse Attentäter ihre Bluttaten ein, über die sie sich Zutritt ins Paradies und mitunter sogar frivole Freuden mit himmlischen Jungfrauen erhoffen. Auch in Hinrichtungsvideos, die von IS-Terroristen im Internet verbreitet werden, ist dieser Ausruf zu hören!

Ein religiöser Mensch möchte hier vielleicht das übliche Argument einbringen, diese Dinge seien nicht die Fehler Gottes, sondern jener vermessenen Menschen, die vorgeben, in seinem Interesse und Auftrag zu handeln! Dies dürfte aber ein schwacher Trost für die Opfer religiös motivierter Gewalt sein?!